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Politiker sollten sich des Gesetzes der Zweiheit besonders gewahr sein. Politische Tätigkeit ist im Grundsatz ein Ausdruck von Inklusionsarbeit, dient sie dem Erhalt von Ordnung und der Harmonisierung der Kräfte – auch derjenigen im Menschen selbst! Politische Führung kann immer nur so gut funktionieren und ihre Verantwortung wahrnehmen, wie sie sich des Gesetzes der Polarität und Dualität bewusst ist. Zu wissen, der eine Pol lenkt den anderen, das Äussere wirkt auf das Innere und umgekehrt, das macht gute Politik aus.

Der Politik ist aufgetragen,
die wirkenden Pole innerhalb der Gemeinschaft auszugleichen.
Je mehr ihr das gelingt, desto besser funktioniert das System und desto erfolgreicher ist eine Gesellschaft.

Politiká stand im antiken Griechenland für Fragestellungen, welche in Verbindung mit dem Gemeinwesen standen – die Staatsgeschäfte beziehungsweise die Dinge, «welche die Stadt betreffen». Ursprünglich wurde sie als Mittel verstanden, um innerhalb eines Staates beziehungsweise einer grösseren kollektiven Gruppierung die Ordnung zu erhalten. Die Polis – für Stadtstaat, der Staat – wird als ein Zusammenschluss freier und gleicher Bürger charakterisiert und beinhaltet alle Formen des menschlichen Zusam-menlebens. Sie bezeichnet ursprünglich die das Königtum und die Adelsherrschaft ablösende bürgerlich demokratische Verfassung. Zugleich ist es die «Bezeichnung für die politische Gemeinschaft, der jeder natürlicherweise angehört, die ihn erzieht und schützt, die sein Betätigungsfeld darstellt, die zu schützen die erste Pflicht des Einzelnen ist.» Politik wurde in früheren Zeiten als etwas Heiliges verstanden; vor ihrem Gericht erschienen selbst die Götter. Diese hohe Auffassung der Politik geriet allerdings seit dem 4. Jahrhundert allmählich in Verfall.

Bedeutung und Wert guter Politik offenbaren sich in einer Zeit, in der unzählige gesellschaftliche Unterschiede deutlich zu Tage treten, umso mehr. Politik muss extreme Tendenzen zu verhindern wissen. Sind diese existent oder anwachsend, nimmt sie ihre ursprüngliche Aufgabe nur unzureichend wahr. Politik muss sich dafür einsetzen, Gräben zwischen unterschiedlichen Interessensgemeinschaften zu verringern, und alles dafür tun, dass der soziale Friede und das Allgemeinwohl nicht gefährdet sind. Sie muss vermeiden, dass die Gesellschaft den vermeintlich einfachsten Weg gehen und unverzüglich für alles eine Lösung haben will. Denn die schnellste Lösung ist nicht immer die beste.

Politische Verantwortung zeugt davon, gemeinsam etwas zu erschaffen und zu erhalten, das die Vielfalt im Gemeinsamen widerspiegelt. Starke Einheit durch Vielfältigkeit – darum geht es. Respekt, Toleranz, Wertschätzung gegenüber dem Andersartigen und der gesunde Diskurs sind zu fördern, damit eine Gemeinschaft wachsen, gedeihen und sich weiterentwickeln kann. Nur dann wird ein Volk stark und vital.

Der Politik obliegt die Aufgabe, verschiedene Welten, Kräfte und Wesen in einem System zu vereinen und mit den Erfordernissen der Zeit abzugleichen, so dass sich darin alle zurechtfinden und wiederum ihren Aufgaben und Bestimmungen nachgehen können. Sie hat Antworten auf die drängenden Fragen des Kollektivs zu liefern. Ihre Fähigkeit, widerstreitende Interessen als solche zu erkennen und für friedlichen Ausgleich zu sorgen, zeichnet sie aus. Sie muss Wege finden, wie verschiedene Ansprüche und Bedürfnisse miteinander in Verbindung gebracht werden können, und damit eine freie und gesunde gesellschaftliche Entwicklung gewährleisten. Sie weiss um die Bedürfnisse der Menschen und nimmt diese ernst. Regierende müssen sorgsam darauf achten, das Gespür für ihr politisches Handeln nie zu verlieren.

Respekt ist die Grundlage einer prosperierenden Gesellschaft.

Einschränkung, Bevormundung, Gleichmachung, Überwachung und Diskriminierung sind keine Attribute guter Politik, und schon gar nicht der neu anbrechenden Zeit. Ganz im Gegenteil. Diese Verhaltensweisen stehen dafür, was wir als Gesellschaft abzulösen haben. Bedingungslose Gesetzestreue und unsinnige Prinzipien schädigen jedes System und stehen für politische Unausgeglichenheit. Gute Politik ermächtigt nicht sich selbst, sondern die Bürger. Sobald Politik sich nur noch mit Richtlinien und Geboten beschäftigt und die Einhaltung der Norm wichtiger erscheint als Menschlichkeit, Freiheit und Lebendigkeit, erstarrt und verhärtet eine Gesellschaft. Die vielen Aspekte, die das soziale Leben ausmachen, dürfen nicht aus dem Lot geraten. Sobald dies der Fall ist, herrscht Ausnahmezustand und die Gemeinschaft ist nicht mehr in ihrer Mitte – und damit nicht in ihrer Kraft!

(Auszug aus: Führend Sein., Christine N. Kloess, 2022)

Wir sind mittendrin, mitten in ausserordentlich bewegten Zeiten, die exorbitante gesellschaftliche Herausforderungen mit sich bringen und die Geschichte schreiben. Entwarnung ist noch nicht in Sicht. Davon zeugen nicht nur derzeitige Verhaltensweisen von Mensch und Gesellschaft und die damit verbundenen äusseren Erscheinungen, sondern ein Blick in die Sterne vermittelt dies ebenso. Ruhe kommt nicht so schnell auf, dennoch sollten wir selbst die Ruhe bewahren und dort ins Handeln kommen, wo dieses jetzt verlangt ist und benötigt wird. Nicht schlafen ist die Devise, sondern erwachen und aufstehen lautet das Credo der aktuellen Stunde. Dabei werden wir wohl noch so einige Überraschungen und Offenbarungen erleben. Das ist der Charakter der aktuellen Zeit.

Immer wieder frage ich mich: Wie werden wir eines Tages darüber denken und sprechen, wie wir als Gesellschaft darauf reagiert und damit umgegangen sind, womit wir heute konfrontiert sind? Werden wir die Lektion verstanden haben und die Aufgabe, die uns das Leben damit stellte, gut gemeistert haben? Werden wir, stolz darauf sein können, wie wir agiert haben? Werden wir Freude empfinden, wenn wir uns daran erinnern, welchen Beitrag wir geleistet haben, um die Herausforderung innerlich und äusserlich, privat und beruflich, individuell und kollektiv zu meistern? Werden wir es mögen, wie wir mit anderen Menschen umgegangen sind? Werden wir mit gutem Gewissen sagen können, es war richtig, was wir getan, entschieden und unternommen haben? …

Welche Antworten wir uns auf diese Fragen geben werden, liegt in unserer Hand. Hier und heute, jeden neuen Moment können wir dazu beitragen, dass wir mit einem guten Gefühl agieren und später mit einem ebenso guten Gefühl darauf zurückblicken. Wie uns das gelingt? Indem wir Verantwortung für uns übernehmen – also unser Dasein, unser Denken, Fühlen und Handeln mit unserem Inneren abstimmen und uns von äusseren Einflüssen freimachen. Wir dürfen und müssen auf uns selbst vertrauen. Die für einen individuell richtigen Antworten – jene, die in Einklang mit unseren Lebensaufgaben stehen und unserem und dem Wohl anderer dienen – sind einzig in uns selbst zu finden. Niemand anders kann sie uns geben.

Die für einen richtigen Antworten zu finden, dabei helfen uns unter anderem folgende 7 Fragestellungen:

1. VERTRAUEN STATT ANGST
„Von welcher Haltung bzw. welcher Kraft ist mein Agieren geprägt?“
Von Vertrauen, Freude, Zuversicht und Positivität – oder von Angst, Zweifel, Unsicherheit, Bequemlichkeit und Egoismus? Wir wissen es alle und doch ist keiner vor ihr gefeit: Angst ist niemals ein guter Ratgeber, sie ist eine Fessel der Menschheit. Angst ist ein Gradmesser, wie weit man sich von sich selbst wegbewegt hat. Ihrem Diktat zu folgen tut niemandem gut – weder den Menschen, die sie verspüren, noch jenen, die sie verbreiten. Angst führt immer zu Trennung: Sie trennt einen von sich selbst ab, trennt die Menschen von einander ab. Jedes Mal, wenn die Angst dominiert, gilt es, diese vollzogene Trennung zu erkennen und sich zu fragen: Wozu habe ich die Verbindung verloren? Und: Wie kann ich diese wiederherstellen?

2. BEWUSSTER EINSATZ DER EIGENEN KRAFT
„Was will ich von Herzen bewegen?“ und „Was ist im Rahmen meiner Bestimmung meine Aufgabe? Wie werde ich hier und jetzt mit meinen Fähigkeiten gebraucht? In welcher Welt möchte ich künftig leben und was trage ich dazu bei, diese entstehen zu lassen?“ Jeder schreibt seine eigene Geschichte – und damit die kollektive Geschichte mit. Wir haben es in der Hand! Jeden Tag können wir uns entscheiden, was wir bewegen, wofür wir uns einsetzen wollen, was wir tun oder nicht mehr tun. Jeder Tag ist eine neue Chance, um die Dinge in die Hand zu nehmen.

3. EIGENSTÄNDIGKEIT UND UNABHÄNGIGKEIT
„Wie selbständig und eigenverantwortlich bin ich? Stehe ich zu mir und dem, was mich von Herzen ausmacht und bin ich mir selbst treu? Oder folge ich etwas, das nicht meins ist, wenn ich ganz ehrlich bin?“ Es geht darum, auf sich selbst zu bauen, Haltung einzunehmen, eigenständig zu sein und für das einzustehen, wovon man spürt, dass es für einen wichtig ist – unabhängig davon, was andere darüber denken mögen. Selbst-Bewusstsein, innere Klarheit und Ehrlichkeit bilden die Basis dafür. Und eine Portion Mut gehört natürlich auch dazu!

4. WEITER DENKEN, NEUER UND GANZER DENKEN
„Wie sehr bin ich bereit, neuer und anders zu denken? Kann ich mir vorstellen Unmögliches für möglich zu halten?“ Um eine Sache zu verstehen und ganz zu sehen, bedingt es, verschiedene Blickwinkel einzunehmen. Sie und ich, wir können beide zeitgleich auf den Zürichsee schauen. Sie tun es von Zürich aus, ich von Rapperswil aus. Jeder von uns blickt also auf denselben See – und dennoch offenbart sich jedem ein ganz anderes Bild.
Wir müssen bereit sein, über den Tellerrand hinauszublicken, immer wieder den Sprung von der Frosch- in die Vogelperspektive vorzunehmen, das Unmittelbare zu überwinden und die Gegebenheiten und Möglichkeiten neu denken und miteinander zu verknüpfen. Bekanntlich ist nichts so, wie es scheint und wie heisst es doch so schön: „Ich weiss, dass ich nichts weiss!“

5. SELBST-VERTRAUEN
„Wie sehr vertraue ich meiner inneren Wahrnehmung, meinem Bauchgefühl, meiner Intuition?“ Es gilt, immer wieder daran zu denken: Andere können sich irren. Die Intuition, die für das innere Wissen eines Menschen steht, jedoch nicht. Sie bezieht bei ihrer Informationsbeschaffung weit mehr Aspekte ein als der Verstand es jemals kann. Die innere Stimme, diese in uns liegende Führung, weiss immer mehr, als der Mensch im einzelnen Moment es tut. Im Zeitalter des Wissens sind wir darauf angewiesen, unser inneres Wissen zu aktivieren und zu fördern, ansonsten werden wir keine gewinnbringenden Antworten finden und nicht das tun, wozu wir fähig und bestimmt sind.

6. AUSGEWOGENHEIT STATT EXTREMITÄT
„Wie ausgewogen gehe ich vor? Wann bin ich ganz in meiner Mitte, wann falle ich in das eine oder andere Extrem?“ Das Gesetz des Ausgleichs ist ein natürliches Lebensgesetz. Nicht umsonst gilt das Agieren aus der eigenen Mitte heraus als ein Schlüsselelement rechten Handelns! Extreme aller Art sind nie gut. Sie sind gefährlich und richten enormen Schaden an. Ein Blick auf die Geschichte offenbart dies mehr als genug. Ebenso finden sich im eigenen Leben genügend Beispiele dafür, was extreme Denk- oder Verhaltensweisen anrichten.

7. HARMONISIERUNG STATT POLARISIERUNG
„Polarisiere ich noch oder harmonisiere ich schon?“ Die derzeitig rasant vor sich gehende und von vielen Teilen der Gesellschaft – bewusst oder unbewusst – angetriebene Spaltung ist eine weit grössere Bedrohung als vielen bewusst ist und hierin liegt eine der grössten Aufgaben der 2020er-Jahre. Zu einem neuen Gemeinschaftsbewusstsein zu finden, ohne die Vielseitigkeit abzuschaffen und alles gleichmachen zu wollen, ist eine der zentralen Aufgabenstellungen unserer modernen Gesellschaft. Einheit in Vielfalt ist das Ziel. Und dies beginnt beim Einzelnen selbst, im eigenen Alltag – und im Bewusstsein, dass alles letztlich eins ist und miteinander in Verbindung steht, auch wenn es noch so gegensätzlich erscheint. Jeder ist aufgerufen, Brücken zu schlagen, harmonisierend und integrierend zu wirken. Damit beginnt die Veränderung. Darum herum kommen wir nicht. Mitgefühl und Toleranz sind Trumpf, Polarisierung ist out.

Unterschätzen Sie bitte Ihre Kraft und Ihren Einfluss nicht – vor allem nicht dann, wenn Sie von Herzen handeln und in Verbindung mit sich selbst sind. Vertrauen Sie sich. Vertrauen Sie Ihrer Kraft und Ihrer Fähigkeit, das umzusetzen, wovon Sie innerlich spüren, es jetzt umsetzen zu „müssen“. Besondere Zeiten verlangen immer nach besonderem Einsatz. Jeder Beitrag zählt, im Kleinen wie im Grossen!

Und wir dürfen niemals eins vergessen: Letztlich wünschen wir uns doch alle dasselbe: Friede, Freiheit, Freude… und Liebe! Diesen Wunsch zu verwirklichen, daran sollten wir unaufhörlich arbeiten. Ungezwungen und selbstbestimmt zu leben ist die Essenz jedes Lebens – und das Recht jedes einzelnen Menschen.